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Neubau oder doch Sanierung des Singener Krankenhauses - Offener Brief an die Kreisräte

 

Sehr geehrte Kreisräte im Verwaltungs- und Finanzausschuss des Kreistages Konstanz,

am kommenden Montag, den 16. Mai 2022 sollen Sie bereits eine Vorentscheidung für den Neubau eines Zentralkrankenhauses treffen:

"Der Kreistag spricht sich für die Verfolgung der Szenario C (2-Standort-Lösung) des von der Lohfert & Lohfert AG vorgelegten Struktur- und Wirtschaftlichkeitsgutachtens GLKN aus und beauftragt die Verwaltung, die weiteren Schritte vorzubereiten und einen konkreten Zeitplan zu erarbeiten."

Als Grüner Ortsverband für die Raumschaft Stockach möchten wir Sie bitten, diese Entscheidung vorläufig auszusetzen.

Begründung:

Bei einer Entscheidung mit derartiger sozialer wie finanzieller Tragweite würden wir uns einen echten Beteiligungsdialog wünschen

mit

  • den Gemeinden des Landkreises, die über die Kreisumlage die Verluste des Gesundheitsverbunds Landkreis Konstanz (GLKN) tragen
  • den Beschäftigten an den Standorten und nicht zuletzt mit
  • den Bürgerinnen und Bürgern im Landkreis.

Dazu als Beispiel:

https://blog.staatsanzeiger.de/buergerbeteiligung-gesundheitszentrum-spaichingen/

Ein Krankenhausneubau mit Fertigstellung in 8 bis 10 Jahren löst keines der akuten Probleme, würde aber heißen, den zweiten Schritt vor dem Ersten zu tun.

Die finanzielle Situation des GLKN ist ernst. Seit 2018 werden Verluste geschrieben.

Für die Gemeinden im Landkreis ergeben sich daraus hohe Zahlungen in die Kreisumlage, die sie an anderer Stelle einsparen müssen.

Die Bürgerinnen und Bürger sehen sich mit Kosten von Hunderten Millionen € konfrontiert, während gleichzeitig ihre Gemeinden an der Versorgung und bei der Infrastruktur sparen müssen.

Die Beschäftigten müssen mit der Schließung von Abteilungen oder ganzen Standorten rechnen. Dies schafft Verunsicherung.

Wir haben bereits einen Personalmangel in der stationären Pflege, im Landkreis Konstanz noch verschärft durch die Nähe zur Schweiz. Dieser Personalmangel muss mit (für den GLKN teuren) Zeitarbeitskräften ausgeglichen werden. Deshalb sollten wir gerade in der jetzigen Situation alles Machbare tun, um unseren Personalstamm zu behalten und zu unterstützen.

Das Strukturgutachten deutet im Teil B bereits Zusammenlegungen von Abteilungen in Konstanz und Singen an, welche im nichtöffentlichen Teil C konkretisiert wurden.

Dies wird schon in den nächsten Monaten schmerzliche Eingriffe in die bestehenden Strukturen erfordern, für die wir uns ebenfalls einen gut moderierten Beteiligungsprozess vorstellen, um nicht noch mehr Beschäftigte zu verlieren.

Laut den Autoren des Gutachtens könnten dadurch die aktuellen jährlichen Verluste von 20 Mio. vielleicht auf 14 Mio. € reduziert werden. Hier werden betriebswirtschaftlich betrachtet eher langfristige Baustellen bleiben.

Allerdings stellen wir uns schon die Frage, warum es seit 2012 nicht gelungen ist, Doppelstrukturen durch Zusammenlegung der Fachabteilung zu reduzieren. Wenn hier nicht der Wille besteht, als Gesundheitsverbund zusammenzuarbeiten, würde diese Problematik auch in der Konstellation mit Konstanz plus dem neuen Zentralkrankenhaus weiter bestehen bleiben.

Zum Strukturgutachten:

Abgesehen von der sehr ausführlichen Betrachtung der Erreichbarkeit der Standorte mit dem Pkw in den verschiedenen Szenarien ist das Gutachten aus Sicht einer echten Krankenhausbedarfsplanung eher dürftig aufgestellt.

Die Aufgabe, verschiedene Szenarien auch in finanzieller Hinsicht zu vergleichen, wird in keinster Weise erfüllt, sofern sich diese Ausführungen nicht im nichtöffentlichen Teil C verstecken.

Sie selbst hatten beauftragt:

Zur Beantwortung dieser Fragestellung soll im Wesentlichen auf drei Szenarien abgestellt werden:

  1. a) Die aktuell vorhandenen Krankenhäuser und Krankenhauseinrichtungen im Landkreis Konstanz bleiben unverändert bestehen.
  2. b) Die unabdingbar erforderlichen Krankenhäuser und Krankenhauseinrichtungen im Landkreis bleiben erhalten.
  3. c) Es wird die optimale alternative Konstellation zu den Szenarien a) und b) dargestellt-

https://kreistag.lrakn.de/ai/getfile.asp?id=45591&type=do

Als c) haben Sie bekommen (S. 141):

https://www.glkn.de/media-glkn/docs/Aktuelles/GLKN-Stark-in-die-Zukunft/220405_Abschlusspraesentation_V10.pdf

Bitte beachten Sie die dort angedeutete Option (5), langfristig auch den Standort Konstanz zu schließen. Wäre das Ende einer über 800 Jahre alten Einrichtung.

Warum soll gerade

  • der Neubau eines Krankenhauses mit 450 Betten in zentraler Lage
  • unter (vorläufiger) Beibehaltung des Standorts Konstanz und
  • Auflösung der bisherigen Standorte Radolfzell (147 Betten) und Singen (450 Betten)

die optimale alternative Konstellation darstellen?

Das wäre eine sehr wichtige Information für alle Beteiligten als Entscheidungsgrundlage, diese Frage wird aber zumindest im öffentlichen Teil des Gutachtens nicht beantwortet.

Laut Herrn Landrat Danner kostet der zentrale Krankenhausneubau etwa 400 Mio. € (Aussage beim Stockacher Gemeinderat am 11.05.2022). Davon wären 200 Mio. € durch den Landkreis zu erbringen, sofern das Land Baden-Württemberg die andere Hälfte zahlt.

Wir möchten Ihnen nun eine andere optimale alternative Konstellation zur Entscheidungsfindung ans Herz legen:

Als Grünen widerstrebt es uns, neue Flächen für ein derartiges Großprojekt zu opfern und gleichzeitig einen bestehenden Standort in Singen einer komplett ungewissen Zukunft entgegen gehen zu lassen.

Was spricht dagegen

  • unter Beibehaltung des Standorts Konstanz
  • den Standort Singen umfassend zu sanieren
  • und für den Standort Radolfzell umfassend zu prüfen, was zu seiner wirtschaftlichen Ertüchtigung ggf. notwendig wäre?

Exkurs:

Wir können uns für Radolfzell z.B. sehr gut einen Geriatrischen Schwerpunkt vorstellen.

Wie im Gutachten (S. 94) aufgezeigt, wächst der Indikationsbereich Geriatrie besonders stark im Vergleich zum Benchmark, ebenso die Diabetologie / Endokrinologie, da diese Erkrankungen in Bezug auf eine älter werdende Gesellschaft verstärkt auftreten. Hier liegt also absolutes wirtschaftliches Potential, dass wir nutzen sollten.

In Anbetracht der demografischen Entwicklung, bei zeitgleichem Anstieg von Alterserkrankungen wie z.B. Demenz ist zu überlegen, ob der Standort Radolfzell zu einer Kombination mit einemAusbildungsschwerpunkt für medizinische und pflegerische Spezialisierungen im geriatrischen Bereich ausgebaut werden könnte.

Dies bietet sich auch an, weil direkt neben dem Radolfzeller Krankenhaus gerade der Neubau eines Pflegeheims durch das Hospital „Zum heiligen Geist“ realisiert wird und somit eine enge Zusammenarbeit beider Einrichtungen möglich wäre.

Sanierung statt Standortaufgabe:

Die Sachlage zeigt, dass der Sanierungsstau in Singen und Radolfzell in der Zwischenzeit so hoch ist, dass wir nicht umhinkommen werden, auch diese Kosten mittragen zu müssen. Es würde also kostentechnisch eine Doppelbelastung darstellen. 

Sie haben am 21.03.2019 als Kreistag bereits 64,7 Mio. € für den Masterplan Bau des GLKN in mehreren Stufen bewilligt.

https://kreistag.lrakn.de/buergerinfo/getfile.asp?id=39008&type=do

Laut des Gutachtens (S. 46) könnten wir für insgesamt 105 Mio. den Standort Singen hinreichend sanieren, so dass eine wirtschaftliche Leistungsfähigkeit dort wieder gegeben wäre. Auch Erweiterungsflächen sind noch vorhanden.

Bis zum Abschluss der Sanierungsarbeiten könnten wir rollierend einzelne Abteilungen ins nah gelegene Radolfzell zeitweilig umlagern, da sich Bauarbeiten nur schwierig mit einem laufenden Krankenhausbetrieb vertragen.

Für diesen Teil müssten sicher gewisse Summen in den Standort Radolfzell investiert werden, aber deutlich weniger als die auf S. 46 angesetzten 86 Mio. € und mit einer Perspektive auf Weiterbetrieb (siehe Exkurs).

Aber wie wir bereits am Anfang dargelegt hatten, würden wir uns dazu einen umfassenden und transparenten Beteiligungsprozess wünschen, dies wäre auch ein Ausdruck moderner und lebendiger Demokratie im Landkreis Konstanz.

Daher möchten wir Sie bitten, der Beschlussvorlage 2022/123 am 16.05.2022 nicht zuzustimmen und zunächst einen ehrlichen und ausführlichen Dialog mit Gemeinden, Beschäftigten und BürgerInnen zu beginnen.

Mit freundlichen Grüßen

Peter Alexander

Silke Sachs

Henrike Bischoff

Tobias Feindler

 

Vorstand von

Bündnis90/DIE GRÜNEN

Ortsverband Raum Stockach



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